Die Pandemie hat die Art wie wir leben, arbeiten und lernen nachhaltig verändert – schneller und radikaler, als jedes andere historische Ereignis der letzten 50 Jahre. Lockdown, Homeschooling, geschlossene Schulen, Ausnahmesituation für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte – die anhaltende Corona-Pandemie stellt besonders das nationale Bildungssystem vor große Herausforderungen.
Seit dem 16.12.2020 befinden sich sechste Klassen in einem hybriden Homeschooling, siebte bis elfte Klassen im kompletten Distanzunterricht. Studierende haben seit dem Ende des Wintersemesters 2020 die Universität nicht mehr von innen gesehen.
Aber wie ergeht und erging es den Lernenden selbst? Das wollten wir wissen und haben (Berufs)-Schüler*innen, Abiturient*innen und Studierende nach ihren Erfahrungen mit dem Lernen im digitalen Raum befragt. Es zeigt sich: Schüler*innen, Studierenden und Auszubildenden fehlt es vor allem an Struktur, Planungssicherheit und geregeltem Kontakt zu den Lehrenden. Insbesondere fehlende Internetzugänge, zuhause und in den Schulen, wurden als Problemtreiber genannt.
So berichtet zum Beispiel Josh (18) aus Nordrhein-Westfalen, ein Schüler der Q2 auf einem Gymnasium, über das Prozedere des Abgebens von Hausaufgaben und über unzureichende Serverkapazitäten.
„Wir benutzen nur Moodle. Und wenn Moodle nicht funktioniert, gebe ich die Aufgaben per E-Mail ab. Das ist nämlich auch ein großes Problem, wir bekommen keine Benachrichtigung über neue Aufgaben – und so gehen die oft unter. Also muss man sich jeden Tag komplett durch Moodle durchklicken, um den Überblick zu behalten und das Problem ist, dass unser Moodle meistens zwischen 10:00 und 12:00 down ist, weil zu viele Leute zugreifen wollen und die Server überlastet sind“
Jonathan, 21Jahre alt, der sich gerade im zweiten Lehrjahr seiner Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger befindet, ärgert sich über das fehlende Feedback zu Praxisaufgaben.
„Das ist schon der zweite Schulblock, den ich als Homeschooling habe. Wenn ich das mal so vergleiche, läuft das schon mal viel besser als beim letzten Mal, weil wir jetzt auch mehr Unterricht haben. So wird uns auch mehr erklärt. Was es aber komplizierter macht, ist, dass wir keine Praxisstunden haben. Normalerweise würden wir in den Praxisraum gehen. Das fehlt leider komplett. Der vorgegebene Weg ist aktuell, dass wir uns das im nächsten Praxiseinsatz selber aneignen sollen. Das heißt, obwohl das so von der Schule angedacht ist, wird uns das gar nicht gezeigt. Also bekommen wir auch gar kein Feedback.“
Jonathan würde sich wünschen, dass die fehlende Praxis mittels Lehrvideos oder im Live-Online-Format vermittelt würde.
„Zum Beispiel Katheter legen oder bestimmte Wunden behandeln. Damit ich sehe, wie man so etwas richtig macht. Das könnte man vielleicht live im Zoommeeting zeigen oder die Lehrer nehmen ein Video in der Praxis auf. Damit man sehen kann, wie es richtig geht.“
Es zeigt sich, dass in der Vermittlung von praxisrelevanten Inhalten starker Nachholbedarf herrscht. Gerade Gesundheits- und Krankenpfleger werden in der Pandemie händeringend gesucht und müssen gut ausgebildet sein.
Auch Sebastian, ein BWL-Student, findet, dass die Qualität des Studiums nachgelassen hat.
„Der Kontakt zu den Dozenten hat sich deutlich verschlechtert und irgendwie auch die Qualität der Lehre, finde ich. Da die Tutorien nur auf Youtube zu verfolgen sind, kann man nicht einfach Zwischenfragen stellen. Also, nach dem Motto, wieso bekommt man hier das Ergebnis und wieso haben wir diesen oder jenen Rechenweg gewählt. Man kann zwar E-Mails schreiben, das ist aber ein deutlich größerer Aufwand und man bekommt auch nicht immer eine Antwort. Also, der Kontakt zu den Dozenten ist deutlich komplizierter und indirekter geworden.“
Ähnlich sieht es Marie (24). Sie befindet sich gerade in der schulischen Ausbildung zur staatlich zertifizierten Modedesignerin. Auch ihr fehlt der strukturierte Kontakt zu den Lehrern.
„Im Moment schreiben alle irgendwo anders. Mehr Struktur wäre sehr gut. Also, dass die Lehrer sich in festen Abständen melden und sagen, was ansteht. Teilweise hören wir mehrere Wochen gar nichts, müssen alles selbständig machen und wissen gar nicht was Sache ist.“
Es wird klar: Homeschooling wird vor allem für die Schüler/innen und Lehrenden problematisch, wenn jeder und jede einzeln den nie enden wollenden Kampf gegen die Technik kämpfen muss. So ist ein großer Problemtreiber der unterschiedlich weit vorgeschrittene Ausbau der technischen Infrastruktur an den Schulen und der heimischen Arbeitsplätze von Schülerinnen und Schülern. Viele fühlen sich gestresst, weil Information entweder über verschiedene Kanäle auf sie einprasseln oder Aufgaben gar nicht erst ankommen.
Eine einheitliche Lernplattform beziehungsweise die Einführung technischer Standards könnte dem entgegenwirken: Informationen über Abgaben, Stundenplan, kommende Termine und Lernmaterialien würden darin gebündelt und geteilt. Damit könnte sichergestellt werden, dass keine Informationen verloren gehen, alle Teilnehmenden zu jeder Zeit auf dem gleichen Wissensstand und Projekte verlässlich zu planen sind. Zudem könnte es unterstützend wirken, wenn Schulen eine einheitliche und starke technische Infrastruktur erhalten – und somit überlastete Moodle-Server irgendwann der Vergangenheit angehören.
Dieser Artikel wurde von einem unserer Werkstudierenden recherchiert und geschrieben.